Eine Art "Falling Down"

Es gibt Tage, die beginnen eigentlich in einer sehr angenehmen Art und Weise. Aufstehen, in die Küche gehen, Kaffee machen. Mit sich und der Welt ein sein und so langsam den Tag beginnen lassen. Es bestehen doch große Chancen, das dieser Tag noch ein wenig länger wird. Der Tag wird von alleine kommen, warum sollte ich ihm entgegenrennen. Ausserdem ist Sonntag. Nun, so ein Tag kann sich in Sekunden verwandeln. Alles was es dazu braucht, sind jene 15 Minuten, die ich benötige, um zum Bahnhof zu kommen. 15 Minuten, in denen die Wut kochen kann. Manchmal verstehe ich, das zwischen einem normalen Tag und Falling Down nur ein schmaler Grat und die Verankerung der Zivilisation steht.
Zwanzig Autos werden wohl erst nach einem Reifenwechsel wieder ihren Betrieb aufnehmen. Ich kann mir vorstellen, das heute nacht eine Horde marodierender Adoleszenzanwärter durch die Straße gezogen sind, vor Kraft kaum laufen könnend und durch den testosteronbedingten Pegel der Dauererregung an die Decke pissend. Und weil sie zu keiner anderen Artikulation in der Lage sind, werden dann halt Autoreifen abgestochen.
Nun … weitergehen … es gilt einen Zug zu erreichen … keine Zeit, das eigene Auto in Augenschein zu nehmen. Glück gehabt, eigentlich ein Grund wieder gute Laune zu bekommen. Und gleich wieder den latenten Rassismus vorgeführt bekommen, der im normalen spiessigen Deutschen ruht. Heute präsentiert durch eine durch eine elektrisch (Bräune war das Ziel, herausgekommen ist nur Lederhaut) gealterte Frau und deren Freundin, Typ Panzerbrille, wohl sonst Gutmensch im Sinne der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden. Wahrscheinlich in Poppenbüttel oder Wellingsbüttel ausgestiegen. Ja, ich bin mir dessen bewusst, das man nicht mit Vorurteilen über Vorurteilen schreiben sollte, aber der gesamte Habitus, das Aussehen lässt diese Vermutung entstehen. Nungut, neben einem ausländischen Mitbürger sitzen. Sich lieber neben jemand setzen, der seiner Bierflasche entgegen deliriert, als sich neben jemanden zu setzen, der eine deutlich dunklere Hautfarbe hat. Um sich gleich wieder umzusetzen, sobald jener den Ausstieg gesucht hat. Kann man jemanden deutlicher sagen, das er unerwünscht ist. Vor einigen Jahrzehnten wäre sowas in höheren Kreisen noch ein Grund gewesen, um Satisfaktion nachzusuchen. Ruhig bleiben. Blutdruck senken. Augenschliessen. Kopfschuetteln. Durchatmen. Augen öffnen.
Aus der S-Bahn steigen. Auf der Rolltreppe hinter einer Frau stehen, die keine Anstalten macht, sich zur Seite zu bewegen. So wie es eigentlich Konsens ist. Wenn man nicht laufen möchte, rechts ran. Gasse bilden für jene, die Links zügig zu ihren Zielen wollen. An sich nichts schlimmes. Das Alter der Dame entschuldigt weitestgehend die Egozentrik. Aber war dieser Haufen nach Fuchs aussehende Pelz, der wohl eher umgefärbte Ratte ist, wirklich notwendig. Dieses “Es ist mir scheissegal, was ihr denkt, ich präsentiere meinen Reichtum”. Auch, das sind wohl Vorurteile, aber ich mag Menschen nicht, die Pelz tragen. Das ist unseren Breiten seit dem wir weben können nicht mehr notwendig. Dabei fällt mir ein: Es gebe einen einfachen Weg, die Tierquälerei bei der Pelzüchtung binnen kürzester Zeit zu reduzieren. Jeder, der Pelz tragen möchte, muss die Subjekte seiner Begierde selber töten und ihnen das Fell abziehen. Könnt Ihr euch die Arztgattin vorstellen, die selber das Bolzenschussgerät ansetzt?
Nun, ich sitze im Zug, und hatte endlich mal wieder genug Wut im Bauch, die ich mir von der Seele schreiben konnte. Auch wenn ich den Tagen nicht entgegenrenne, warum muss der Tag dann gleich mit dem Vorschlaghammer mir entgegengetrieben werden.