Das zweite Integrationsproblem

Es wird viel über die Probleme gesprochen, die uns die Integration von Mitbürgern mit Migrationshintergrund bereitet. Diese Probleme existieren wirklich. Mein Bruder ist Lehrer an einer Schule mit einem hohen Anteil von Kindern aus Haushalten mit zumindestens teilweisen Migrationshintergrund und die Probleme sind durchaus massiv. Aber darum soll es hier nicht gehen. Wir haben ein weiteres Integrationsproblem in Deutschland. Eines, das nicht an der Ethnie festgemacht werden kann oder am Land der Herkunft. Auch nicht am Alter. Es ist eine Grenze die das Land durchzieht, die sich an der Geisteshaltung manifestiert. Auf der einen Seite sind Wir, die Digital Natives. Auf der anderen Seite die Bipolaren. Die Bipolaren? Damit sind jene gemeint, die in schöner Regelmässigkeit die Welt in zwei Lager aufteilen. Eben ein bipolares Weltbild haben. Nichts dazwischen kennen. Ihr seid für uns oder ihr seid Kinderpornographen. Ihr seid für uns oder ihr seid Terroristen. Ihr lasst euch überwachen, oder ihr seid Terroristen. Ihr lasst euch von uns widerspruchslos regieren oder ihr seid gegen uns.Ihr lasst Euch freiwillig als HartzIV-Empfänger bis ins Schlafzimmer beobachten oder ihr seid Sozialschmarotzer. Wann immer man in den letzten Tagen einen Freund der Sperren und der Überwachung hört, so hört man auch diese Aufteilung. Vielleicht nicht in diesem Zusammenhang, aber doch durch die selbe Person. Es sind jene Menschen, die durch die Vielfalt des Lebens verunsichert, sie letztlich in ein Weltbild treibt, in das es nur noch sie und all die anderen gibt. Wir stehen hier vor einem Integrationsproblem, das uns noch Jahre beschäftigen wird. Wie integriert man Menschen, die die Welt nur in zwei Lager aufteilen können, in ein Medium das diese Separierung nicht kennt, nicht kennen kann, das es die Darstellung der Gedanken, Wünsche,Träume, des Wissens, Erfahrung aber auch der Perversion einer Vielzahl von Menschen ist? Wir müssen uns daran gewöhnen, das das Internet wir sind. Mit all unseren Stärken, aber auch mit all seinen Schwächen und all seinen Abgründen. Wie integriert man solche Menschen in eine Welt, in eine Gesellschaft, die durch das Internet immer mehr verändert wird? Auch wenn sich die grosse schweigende Mehrheit nicht aeussert, so haben sich alle an die Freiheiten gewöhnt, die das Internet bietet. Wir haben uns daran gewöhnt, zu jeder Zeit einkaufen zu können, Zeitungen im Internet zu lesen, zu chatten, zehntausende von Radiosendern, Foren in thematisch unbegrenzter Anzahl. Wir haben uns aber auch an die grauen Seiten des Internet gewoehnt: Die Verfügbarkeit von Vorlagen zum nächtlichen Einhandsurfen. Man gucke sich nur mal die Werbung auf Viva an, die zwischen den nächtlichen Futurama-Folgen (DVRs sind so genial) gezeigt wird: Seitensprung-Vermittlungsportale. Ich kann mir vorstellen, das diese Welt jedem nur ausreichend konservativ denkenden Menschen ein Dorn im Auge ist. Es passt nicht in sein oder ihr Weltbild, also möge sich die Welt nach diesem Bilde formen. Dieser Wunsch sei jedem gegönnt. Gefährlich wird das nur, wenn diese an den Schaltstellen der Macht sitzen. Es ist mir daher schon klar, warum diese Pluralität von Meinungen und Inhalten von den Bipolaren gehasst wird, ja … ihr Angst macht. Es ist die Unkontrollierbarkeit. Was machen Menschen, wenn sie Angst haben? Sie gucken weg. Und nichts anderes sind all diese Sperrwünsche. Es sind die Hände über den Augen der Bipolaren. Es ist institutionelles Weggucken. Was ich nicht sehe, ist wohl nicht da. Und wenn ich das Ganze aus meinem kleinen Raum halte, dann existiert das Problem wohl nicht mehr. Was interessiert mich das Leid der Anderen. Ich gehe in meine kleine Ecke, die sich Deutschland nennt, und halte meine Augen zu. Es ist vielleicht auch der Wunsch, alles würde wieder in ein Zeitalter der wenigen Kommunikationskanäle zurückkehren, als es noch ein ARD,ZDF und die dritten sowie BTX und eine Reihe von Zeitungen gab. Etwas das besser ins Weltbild der Bipolaren gehört. Die Kanäle der Informationen beschränkt waren. Das Internet hat viel geändert. Die grossen Medien … nur ein Kanal unter vielen. Kampagnenfähigkeit kommt selbst den grossen dafür bekannten Medien abhanden. Es ist eine sich ändernde Welt. Eine Welt, die erstmals nicht mehr die Unterscheidung zwischen Sendefähigkeit und blossem Empfang macht. Eine Welt, die Ihre Qualität in einem Wettbewerb der Relevanzsuche findet, die dem wissenschaftlichen Diskurs ähnlich die Wahrheit messbar durch das gegenseitige Zitat, dem gegenseitigen Peer Review findet. und nicht auf längst der Nähe zu politischen Parteien geopferten, aber immer noch reliquienhaft hochgehaltenen journalistischen Prinzipien. Ich sehe hier wirklichen Integrationsbedarf für jene Menschen, die das Wesen des Internets noch nicht verstanden haben, die es sich nicht zu nutze machen können und in der SMS bereits eine fortgeschrittene Form der Kommunikation sehen. Ich glaube wirklich, das wir jenen Menschen helfen müssen. Nicht das wir in wenigen Jahren, wenn immer mehr Digital Natives unser Land bevölkern, diese ausgegrenzt werden … ihnen die Chance genommen wird, an unserer Gesellschaft zu partizipieren. Wir müssen diesen Menschen die Angst nehmen, damit deren Angst uns nicht das Internet nimmt. Wir befinden uns an einer Wende. Und wir als Digital Natives haben die Pflicht all jene Menschen mitzunehmen. Auch jene Menschen, die momentan noch Angst vor dem Neuen haben, die Angst vor dem Anderen hat. Im Grundgesetz steht: “ Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.” Ich glaube, das das auch für Wissen gilt. Schlussendlich geht es hier nur um Angst. Gegen Angst hilft nur Wissen. Man wird den Bogeyman im Schrank nicht los, in dem man einfach ein Laken davor hängt, es lohnt sich diesen zu öffnen und nachzugucken, um herauszufinden, das die gar gräuslichen Geräusche im Kleiderschrank von einer Maus kommen. Denn in etwa das ist die Grösse im Vergleich zum grossen viertürigen Kleiderschrank, die alles Illegale (Kipo,Scam,illegaler Musikdownload,Phishing) im Internet in etwa im Vergleich zu dem was tagtäglich im Internet passiert. Mäuse bekämpft man mit Mausefallen. Jene Geräte, die mit brachialer Gewalt den Schädel von Mäusen einschlagen. Ein Stopschild vor dem Mauseloch? Das wird wenig nutzen.