Ich sitze hier gerade an meinem Schreibtisch und wundere mich, das selbst in einem Jahr, in dem es eigentlich empfohlen ist, zuhause zu bleiben, es lediglich das übliche Fernsehprogramm gibt, das nur mit erheblicher Alkoholintoxikation erträglich wird. Was problematisch ist, wenn man keinen Alkohol trinkt. Daher schreibe ich gerade an einer persönlichen Zusammenfassung für das Jahr 2021. Dem Jahr, das am Anfang im Januar den Eindruck machte, das es nur eben ein weiterer beliebiger Abschnitt im Leben werden würde, sollte eine ungeahnte transformative Macht innewohnen. Jedenfalls genügend, um in mir den Wunsch auszulösen, es hier niederzuschreiben.
Aber wie fasst man ein Jahr zusammen, das sich angestrengt hat, einem zeigen zu wollen, das selbst die diametralsten Situationen locker in ein Jahr passen. Wie will man ein Jahr zusammenfassen, das einem zeigte das zwischen „rock bottom“ und „top of the rock“ nicht einmal wenige Wochen liegen müssen und diese Gegensätze sogar gleichzeitig gehen und das über längere Zeit.
Wie will man ein Jahr zusammenfassen, das mit den Anstrengungen began, die eigenen Eltern vor der Pandemie zu schützen, als irgendwie alles zunehmend hoffnungslos erschien, weil es bis zur Impfung noch Monate dauern sollte, bis Impfungen erreichbar wurden, heute aber meine Eltern beide geboostert sind? Wie soll man ein Jahr zusammenfassen, das mit einer massiven Panzerung um einen selbst begonnen hat, einem aber später bewusst wird, das es Menschen gibt, für die diese Panzerung schlicht nicht existiert?
Es war ein seltsames Jahr an vielen Stellen. Aus der Nichtnachricht das man sich gegen irgendwas impfen lässt, wurde die unbändige Freude, die in einem aufkeimte, wenn man die Nachricht erhielt, das ein wichtiger Mensch nunmehr seinen Impftermin erhält. Es war die Erleichterung zu hören, das die Nadel den Menschen erreicht hat. Es war die Erfahrung, das man jeden Tag mitfieberte, bis man diese Menschen geschützt wähnen konnte.
2021 war das Jahr der besonderen Momente, das Jahr an dem Orte besonders wurden, an dem Orte ihre Bedeutung gewechselt haben. 2021 ist das Jahr, in dem das Gefüge, was wichtig für mich ist, völlig verändert worden ist. 2021 ist das Jahr der vielen Bücher, 2021 ist das Jahr der vielen Gedanken. Es ist das Jahr der Momente, die einem zeigten wo die eigenen Grenzen liegen. Es ist auch ein Jahr der Orte, an die man nicht mehr zurück will. Es ist das Jahr des Hilfe suchen. Es ist aber auch das Jahr des Helfens. Es ist kein Zeichen der Schwäche zu sagen, das man Hilfe braucht, es ist ein Zeichen dessen, verstanden zu haben, das Resilienz nicht nur in einem selbst entsteht, sondern viel mehr eine Konsequenz des sozialen Gefüges ist, das man um sich herum aufgebaut hat, in dem man existiert. Gerade in der momentanen Zeit.
Man muss akzeptieren, das man in manchen Bereichen eben am harten Boden der Tatsachen ist und das diese mit erheblicher Geschwindigkeit und Macht auf einen zukommen, auf der anderen Seite aber auch das Wunderbare im Leben sieht. Man muss akzeptieren, das beides zur selben Zeit kein Widerspruch ist, sondern das Leben in seiner Fähigkeit auf mannigfaltige Art zu sagen, das die Navigation durch alle Stromschnellen des Lebens nicht unbedingt einfacher wird. Man muss auch akzeptieren, das man an manchen Stellen auch noch lange weiterarbeiten muss um die Leichtigkeit zurück zu gewinnen, die man einmal hatte.
Belohnt wird man dafür, das auch in der momentanen Situation es Momente unheimlicher Schönheit gibt, unheimlicher Freude, unheimlichen Glücks. Momente für die man lebt. Momente von Bedeutung.
2021 war ein Jahr der Veränderung. Nach 10 Jahren Lüneburg bin ich in den Harburger Binnenhafen gezogen und es fühlt sich gut an. Menschen haben mein Leben verlassen, andere Menschen haben ihren Weg in mein Leben gefunden. Andere Menschen waren irgendwie schon immer oder zu mindestens sehr lange da, haben aber eine völlig gewandelte Bedeutung in meinem Leben.
Auf der anderen Seite habe ich von mancher Veränderung Abstand genommen. Und das war auch gut so. Veränderung der Veränderung willen ist selten gut. Veränderung, weil man Dingen ausweichen will, ist nicht gut. Nicht jeder Rat ist gut. Es ist wichtig die guten Veränderungen zu erkennen, diese dann aber auch mit aller Kraft anzugehen. 2021 war auch das Jahr, in dem ich erkannt habe, das manche Dinge zu einer ungesunden Obsession geworden sind. 2022 wird das Jahr, einen gesunden Umgang damit zu finden. Und ja, ich gucke dich an, Rennrad.
Ich weiss das dieser Artikel kryptisch ist. Das ist Absicht. Über manche Dinge mag man nicht schreiben, über andere Dinge kann man nicht schreiben und manchmal liegt es auch nicht nur an einem selbst. Und für andere Dinge liegt der richtige Zeitpunkt, über sie zu schreiben, in der Zukunft. Ich weiss nicht, ob 2022 das Jahr wird, in dem ihr wieder mehr hier von mir lesen werdet. Ich bin da noch unentschieden. Kann sein, das ich irgendwann wieder in einem Postingflow gerate, kann sein das ich mich hier weiter zurückhalte. Ich weiss es noch nicht. Spätestens aber am 31.12.22 werde ich den Weg hier wieder zurück finden. Um zu berichten über die Reise durch dieses Jahr.
2022 wird ein anderes Jahr. Und ich habe ein gutes Gefühl das es ein besseres Jahr wird. Ich bin optimistisch. Mit gutem Grund. Und ich freue mich darauf, in einem Jahr wieder darüber zu schreiben.