Ahnungslose Menschmaschinen

Kommen nur genug Elemente zusammen, so ist die Wahrscheinlichkeit, das ein heilloses Chaos ausbricht neunundneunzig Prozent. Insbesondere, wenn diese Elemente Menschen sind mit ihren Gefühlen, Wünschen und Gedanken. Manchmal hat man das Glück, das trotzdem nichts passiert. Passiert so gut wie nie. Aber dieser vagen, fernen und beinahe unmöglichen Möglichkeit sei das eine Prozent zugestanden. So steht man dann nun morgens am Bahnhof und ist in seinen Gedanken versunken und bemerkt nur am Rande das das aufkeimende Leben des neuen Tages um einen herum schläfrig erwacht. Eigentlich steht man ganz woanders. In seiner Gedankensphäre, weit weg, nicht in dieser Welt. Das Sein scheint ein seltsames Amalgam aus Zufällen, Glück, Pech, Wahrheiten, Lügen, jener Entität die sich Schicksal nennt (aber wohl nur Ausdruck einer temporären Lösung des hochrekursiven Multiparametersystems der eigenen privaten Hölle namens Leben) und am Ende der Art und Weise wie man mit diesem Chaos umgeht. Jenem krudem Gemisch, das seltsam silbrig changierend im Glas des Seins vorsichhinblubbert. Wir schauen zu und hoffen, das sich irgendwann Gold zeigt, doch meistens sind die Blasen, die nach oben steigen, nur von übelriechender Natur. So steht man nun im Bahnhof, vor seinem Leben. Starrt sehnsüchtig den Zügen hinterher, als könnten sie einem in ein anderes Leben transportieren. In Wahrheit gibt es nur zwei Möglichkeiten, wohin ein Zug gehen kann: Sie bringen seinen nur in die nächste Stadt, selber Planet, selbes Leben, vielleicht ein anderer Tag. Wenn man im Zug sitzt. Oder sie trennen zielsicher jedes Bewusstsein von jener ehemals vielleicht rosafarbenen Hülle, die wir mit uns rumschleppen. Wenn man davor, wenn man darunter liegt. Tut weh. Ist eine ziemliche Sauerei. Und zählt nicht. Zu einfach. Direkter Weg in die Hölle! Aber wozu brauchen wir aber eigentlich die Hölle? Wir haben es uns doch schon ganz gemütlich warm hier auf der Erde gemacht. Daily Soaps. Exibitionistentalkshows. Der Bourlevard in Film, Fernsehn und Radio.Unwichtige Menschen, die ebenso uninteressante wie erlogene Pseudoperversionen aus ihrem eigenen kleinen unwichtigen Leben in die Gehirne von Millionen von Menschen spülen dürfen, die sich daran erfreuen, das ihre eigene kleine Devianz nur bis an die Haustür gebracht hat. Die Absolution für Abweichung von der vermuteten Normalität. Denn im Fernsehen, da sind sie von viel schlimmer. Im Radio wird das Ende einer Beziehung zelebriert. Nennt sich Test der partnerschaftlichen Treue, der persönlichen Hallstein-Doktrin. Wir goutieren es. Wir sprechen darüber. Wir lassen zu, das derlei Dinge in unsere Gedanken diffundieren. Die Darstellung des Endes einer erlogenen Lebenslüge, dargebracht von Menschen, deren Broterwerb es ist, uns Lügen vorzuspielen. Lügen von Erfolg. Lügen vom Verderben. Lügen vom Leben. Und wir halten es für die Wahrheit, eine Wahrheit. Am Ende sind wir nur Menschmaschinen, die gelernt haben, in ihren eigenen Innereien herumzubasteln, ohne wirklich zu wissen, was wir da gerade eigentlich tun. Mit einer sehr subjektiven Sicht auf die Dinge, die um uns herum passieren.