Don´t read Heise.

Ich ärgere mich … ich ärgere mich gerade wirklich masslos. Worüber. Über Heise … diesmal aber nicht über einen Troll, sondern über einen Artikel im Onlineticker. Ich hatte ja schon in meinem Vortrag das Zitat gebracht, das man nichts durch Boshaftigkeit erklären sollte, was nicht auch hinreichend durch Dummheit erklärt werden kann. Aber für ein Newsportal ist beides alleine - entweder Boshaftigkeit oder Dummheit - tödlich. Das irgendein Tod gerade bei Heise gestorben wird, kann man recht schön an Artikel zeigen, der eigentlich andere Namen verdienen würde, aber die Wahl der korrekten Bezeichnung überlasse ich euch. Es geht unter dem Titel “Benchmark-Rekord mit neuem Sparc64-VI-Server” um einen Artikel, er sehr vorsichtig augedrückt ein gewisses Verbesserungspotential besitzt. Ich möchte hier nur kurz auf die wirklich offensichtlichen Fehler einsteigen:

Der Server mit dem APL-Chipset "Advanced Product Line" von FSC war mit 256 GByte DDR2-Hauptspeicher ausgestattet

Zunächsteinmal möchte ich hier etwas zur Bezeichnung Advanced Product Line sagen. Die Advanced Product Line besteht momentan aus zwei Richtungen. Zum einen sind das die Systeme mit dem Prozessor UltraSPARC T1. Dieser Prozessor und die dazugehörigen Systeme sind von Sun alleine entwickelt worden. Das andere ist die Olympus Product Line. Also Systeme auf Basis des Olympus Chips. Die grossen Systeme wurden von Fujitsu entwickelt (deswegen sehen sie wohl den Primepower-Systemen so ähnlich), in den kleineren OPL steckt sehr viel Sun Engineering.
Würde man den Text einigermassen fachlich richtig formulieren wollen, müsste dieser Satz heissen: Der Server aus der Advanced Product Line auf Basis des Olympus Chipset von Fujitsu.
Ich sollte hier vielleicht auch noch mal etwas zum Thema Fujitsu-Siemens sagen (FSC): FSC ist ein Distributor von Computerequipment. Man kann da so ziemlich alles kaufen. Unter anderem auch die SPARC-Systeme von Fujitsu. Wie kann man dazu so schön in der Wikipedia lesen:

Das Unternehmen betreibt eine globale Zusammenarbeit mit Fujitsu, bezieht u. a. deren UNIX-Serversysteme, die seit 2004 auch von Sun Microsystems angeboten werden.

Ich weiss nicht, ob ich die genaueren Zusammenhänge hier posten darf, aber sie würden die Zusammenhänge erhellen. Also: Letztlich ist FSC nichts anderes wie ein Systemintegrator, aber kein Hersteller von Computersystemen. Ich bin der Meinung, das Ehre dem zusteht, dem sie gebührt. Das ist in diesem Fall aber nicht FSC. Denn eins macht FSC eben nicht: SPARC-CPUs oder SPARC-Server entwickeln. Kommen wir zu einem anderen Punkt. Den tieferen Sinn hinter

Die Sparc-CPU ist kein Eigentum von Sun Microsystems, sondern steht unter der Obhut der Sparc International, Inc.

habe ich allerdings noch nicht ganz verstanden. Denn sachlich ist das vollkommener Unsinn. Was korrekt ist, ist kann man bei sparc.org nachlesen:

SPARC International was created in 1989 as an independent, non-profit organization to oversee and guide the SPARC evolution. Our IP consists of the SPARC Instruction Set Architecture, SPARC trademarks, and, SPARC derivative TM's. The organization is funded entirely by our members in support of SPARC architecture and its Open Standards technology.

Was bedeutet das? Das Intellectual Property der jeweiligen CPU in ihrer Bauform und Ausgestaltung gehört der jeweilig entwickelten Firma. Der Befehlssatz ist IP der SPARC Foundation. Der Satz macht ungefähr soviel Sinn wie “AMD gehoert der Opteron Prozessor nicht, weil sie einen Befehlssatz haben, der zu x86 kompatibel ist, welcher nicht von Ihnen entwickelt worden ist”.
Nebenbei angemerkt: In der x86-Welt ist es sogar noch seltsamer, da dort die Standardisierung durch Gegenseitiges abgucken passiert und keine offene non-profit Organisation besteht, die sich um die Weiterverbreitung des Befehlssatzes kümmert. Ist ein Fall von reichlich verschrobener “definition power”. Was Prozessoren angeht, ist die definition von offen und nicht-propritär “… macht der Markführer…” und nicht “… es darf jeder mitmachen ….” und “… es ist alles offengelegt …”. Oder hat Intel in letzter Zeit einen Prozessor unter der GPL freigegeben ;) Am Ende möchte ich noch auf einen weiteren Punkt hinweisen: Wer Benchmarks zwischen Prozessoren vergleicht, und dann auf Cores/Threads/Sockets und so weiter abhebt, sollte sich sicher sein, das er sich nicht in den Begrifflichkeiten verhaspelt. Das nennt sich nämlich in der Highend-Serverwelt überall ein wenig anders. Will man vergleiche anstellen, muss man das erstmal auf eine gemeiname Messgroesse bringen. Warum? Ein UltraSPARC IV+ besteht aus zwei Cores, die jeweils einen Thread abarbeiten können. Ein SPARC64 VI besteht au zwei Cores die jeweils zwei Threads abarbeiten können. Man könnte jetzt auch formulieren: UltraSPARC IV+ braucht 48 Threads um 6160 User, SPARC64 VI braucht für 7300 User 64 Threads. Ich könnte mich jetzt auch hinstellen, das ein US IV+ Thread leistungsfähiger ist, als ein SPARC64 VI Thread. Aber selbst das ist noch ein irrelevanter Vergleich. Den Kunden interessiert nur, wieviel Bang bekomme ich aus einer bestimmten Menge Buck.Ich will damit nur zeigen, was passiert, wenn man sich auf brüchiges Eis traut, und nicht weiss, wo das Wasser nur 20 cm tief ist … Worauf will ich mit diesem ganzen Text hinaus will: Das FSC sich in dieses Licht stellt, verstehe ich, würde ich auch so machen. FSC gilt auch nicht diese Kritik. Es ist Heise, auf die ich abziele. Denn: Journalismus ist mehr als einfach nur Pressemitteilungen abschreiben. Journalismus ist Recherche. Journalismus ist zumindestens der Versuch, fachliche Fehler zu vermeiden. Die Frage ist jetzt: Ich kann bei diesem Text sehr schnell die fachlichen Fehler erkennen, weil ich in der Materie stecke. Die Frage, die ich mir jetzt allerdings stellen muss, betrifft die Artikel, auf deren Gebiet ich nicht ueber dieses Spezialwissen verfüge. Kann man diesen Artikeln trauen? Oder muss mich auch davon ausgehen, das diese mehr oder weniger nur abgeschriebene Pressemitteilung sind, die nicht hinterfragt und wahrscheinlich noch nicht mal mit Verstand gelesen worden sind? Muss ich davon ausgehen, das diese die gleiche unterdurchschnittliche Qualität aufweisen, wie der hier behandelte Artikel? Muss ich die gleiche Menge fachliche Fehler voraussetzen? Muss ich die Informationen, die ich auf Heise.de lese anderswo validieren, um damit arbeiten zu können, und wenn ja, warum sollte man sich dann überhaupt Heise.de zu Gemüte ziehen? Beipielsweise erscheint mit ein Register in der Regel besser und schneller informiert. Der Unix Guardian ist oft in seinen Analysen besser. PS: Einen habe ich mir übrigens noch fürs Ende aufbewahrt … warum steht eigentlich auf dem Zertifikat für den SAP Benchmark nur Sun und Fujitsu , nicht aber Fujitsu-Siemens. Interessante Frage … sehr interessante Frage … die man sich hätte stellen können, wenn man mehr als nur die Pressemitteilung von FSC gelesen hätte. Und nicht mal die behauptet, das das ein Benchmark von FSC war ;)