Movie Plot Threats

Bruce Schneier nennt es regelmässig “Movie Plot Threats” (es gibt übrigens einen Movie Plot Threat Contest auf seiner Webseite). Um den Menschen zu erklären, warum dieses oder jenes eine schlechte Idee ist, konstruiert man sich ein Szenario. In Deutschland macht man sich jetzt auch einen Spass daraus, und es gibt deshalb auch bei uns jetzt sogenannte Experten, die sagen, das Google Earth ein Sicherheitsrisiko ist. Um es gleich vorweg zu sagen, wann immer ich das Wort Experte mittlerweile in den Medien hoere, bekomme ich Ausschlag. Aus meiner Sicht sind das meistens Menschen, die irgendwie die Maschinerie der Aufmerksamkeitsökonomie nutzen. Die Journallie druckt ja mittlerweile alles ab, womit man irgendwie den Leser noch aus seiner Daseinsschwere erwecken kann. Nur nachgedacht wird da irgendwie nicht so richtig. Okay … angenommermassen ich will auf die AOL-Arena eine Rakete schiessen. Ich habe mir also eine Rakete in Russland gekauft. Habe ich einen der sagenumwobenen geklauten russischen atomaren Mehrfachsprengköpfe, erübrigt sich das mit dem Zielen … Umkreis von 2 km genuegt locker, um die AOL-Arena platt zu machen. Okay … ich habe einen kleineren konventionellen Sprengsatz. Muss ich das ganze etwas näher ans gewünschte Ziel nehmen. Dann würde ich als erstes garantiert keine Scud nehmen. Schon die neuste Version davon hat eine maximale genauigkeit von 50m und das auch nur, wenn sie von Experten abgeschlossen werden. Zumal wirkliche Experten davon ausgehen, das die 50m-Scud zwar entwickelt worden ist,aber nie wirklich ausgerollt worden ist.. Also bleibt im Grunde genommen nur die Scud C, etwa 700m Genauigkeit. Wie steht bei missilethreat.com so schön:

The ‘Scud C’ is a tactical system designed for general bombardment. Without a nuclear payload, there is no way to compensate for the poor accuracy of the system. The high explosive warhead would be capable of inflicting large amounts of damage to a facility, but the only way to ensure a successful hit would be to launch en masse.

Ausserdem: Erwartet wirklich jemand von Terroristen einen präzisen Raketenangriff ohne die möglichkeit unter nordeuropäischen Bedingungen üben zu können, ohne 10-20 Übungschüsse abgegeben zu können. Wir reden hier nicht von einer Panzerfaust, die jeder Idiot abschiessen kann, sondern von einem komplizierten System, das von einer genau bekannten Position abgeschossen werden muss. Ooookay … gehen wir also mal davon aus, das wir eine ausreichend trainierte Mannschaft haben, die eines ausreichend genauen Waffensystem habhaft werden konnte. Brauchen wir also Koordinaten, auf die wir das Ding abschiessen wollen. Okay, geh ich also flugs in Google Earth und hol mir dir Koordinaten. Moeeep … Fehlschlag … als Terroristenführer würde ich diesen Menschen gleich seinem Schöpfer überstellen. Wer sagt mir denn, das die Koordinaten korrekt sind. Das da Google wirklich nicht dran gedreht hat? Terroristen sind zwar bescheuert, meistens aber nicht dumm und zudem sind sie meistens noch sehr paranoid. Was hätten wir da für möglichkeiten:

• die gute alte Triangulation von bekannten Punkten aus. Und von genuegend Orten sind die ganz genauen Koordinaten bekannt. Die Orte können ruhig weiter weg sein. Ich kann mir ja hilfspunkte triangulieren.
  
• GPS zuammen mit EGNOS. Damit bekommt man schon eine sehr genaue Information, wo man gerade steht. Und das geht sogar mit Handheld GPS-Empfängern.
  
• Stärkeren Gefechtskopf nehmen, um die Ungenauigkeit damit auszugleichen. Das ist halt das Problem der “Movie Plot Threads”. Sie klingen gut, viele Journalisten fallen ohne weitere Überlegung darauf herein. Aber realistisch sind diese Bedrohungen nicht. Die meisten Experten in den Medien sind meines Erachtens Selbstdarsteller, die als Ziel die Steigerung der eigenen Bekanntheit haben (aus was für Gründen auch immer). Die Sicherheit uns Bürgern erhöhen ist explizit nicht in der Betrachtung. Denn dann würde man sich um die Ursachen des Terrors kümmern und beispielsweise das Geld für den Irakkrieg in Entwicklungshilfe stecken. Offengestanden würde wahrscheinlich ein grossteil der arabischen Welt den Amerikanern im übertragenen Sinne die Füsse küssen, wenn das Geld für den Irakkrieg in die Infrastruktur der Länder gesteckt worden waere. Keine Armut, Menschen zufrieden, weniger Potential für geistige Brandstifter. So einfach kann manchmal die Welt sein. Aber vielleicht ist das zu einfach. Da kann man doch besser die Schuld auf Google Earth schieben, wenn demnächst irgendwo ein Präsidentenpalast in Flammen steht. Was bekommen wir also: Patrioten und Geparden um die Stadien, AWACS in der Luft, irgendwann auch mal Soldaten auf den Strassen. Was wir nicht bekommen: Einen Funken mehr Sicherheit. Update: Bruce geht auch noch mal direkt auf das Problem ein. Bei Störsignale gibt es auch noch etwas zusätzlich auf deutsch.