Letzter Zug nach Hamburg

Es ist dunkel auf der anderen Seite des Fensters. Es ist eine Fahrt durch die Nacht. Viele starren still nach drau?n. In eine dunkele Leere, denn das Licht im Zug reicht kaum aus, um auch nur einen Meter weit die Strecke zu beleuchten. Andere klammern sich nur still an irgendwelche B?r oder Zeitschriften, die sie dauernd wieder weglegen.
Wieder unterwegs, wieder ein Termin. Ein Termin in den Abendstunden. Einen Termin, der besonders schmerzt, weil man an die Dinge denkt, die man in diesem Moment lieber machen w?. Ein Termin, der wichtig ist. Die Pflege guter Beziehungen zum Kunden ist wichtig … ist wichtig … ist wichtig.
Ich sollte nicht so viel aus dem Fenster starren. Das macht depressiv. Zumindestens nachdenklich. Gedanken kreisen um die abstrusesten Dinge: Welche Fehler man gemacht hat. Was man gesagt hat, was man nicht gesagt hat. Was man dringend tun muesste, was man lieber haette lassen sollte. Waehrenddessen fallen einem tausende Dinge ein, die eigentlich noch dringend erledigt werden m?en. Zu denen die Lust fehlt. Weil sie einem dann doch unwichtig sind. Weil sie vielleicht wirklich unwichtig und unbedeutend sind. Die wichtig geworden sind, weil man viel zu hohe Anspr? an sich selbst stellt.
Irgendwie gleichen sich die Gesichtsausdruecke bei den Menschen hier im Zug. Mir gegen? am anderen Tisch sitzt eine Frau mit einer randlosen Brille die mit sehr traurigen Blick versucht, etwas da draussen mit Blicken zu greifen, was man nicht sehen kann. Man moechte fast fragen, was passiert ist. Was sie um kurz vor zehn in einen ICE nach Hamburg treibt? Woher die Trauer im Blick ? Und woher kommt das wirre L?eln vom Lederjackentraeger zwei Reihen weiter? Beide aber blicken still nach draussen. Und warum denke ich dar? ?haupt nach? Wieder Lebensauschnitte von Personen, in deren N? man fuer eine begrenzte Zeit sitzt, um diese Personen nie wieder zu sehen. Ich w? gerne wissen wievielen Menschen man nur einmal im Leben im weitesten Sinne begegnet.