Flugangst - Wie alles seinen Anfang nahm ...

Ich habe ja an einigen Stellen schon geschrieben, das ich Flugangst hatte. Ich habe von einigen Leuten ueber die Zeit Mails bekommen, die fragten, wie es dazu kam und vor allen Dingen, wie ich diese wieder los wurde. Ich will das hiermit in loser Folge tun. Vielleicht hilft es den Lesern hier, die noch immer unter dieser Angst leiden, die ich zurueckblickend betrachtet als ziemlich belastend und einschränkend empfinde.

Wo nahm alles seinen Anfang?

Das ich einmal richtig Flugangst bekommen wuerde, war mir irgendwie klar, als ich das erste mal in ein Flugzeug gestiegen bin. Das ist noch nicht so lange her. Ich bin ein Grossfamilienkind. Malle fuer alle ist da nur schwerlich machbar. Und zudem war das war auch noch noch in einer Zeit als man noch nicht fuer 0 Euro und 29 Cent sowie 50 Euro Gebuehren irgendwo hinfliegen konnte. Später habe ich mich dann davor gedrückt wo es nur geht … frühzeitiges Lenken auf nahe Orte half. Oder der Kommentar “Suesse, wie waere wenn wir mal was besonderes machen. Schlafwagentour quer durch Europa”. Freundin glücklich, Streit vermieden, Flug vermieden, alles ok. Doch dann kam jener Tag: Der erste Flug der sich nicht vermieden liess. Es war Sonntag, es gab Ärger mit der Netzwerkinstallation am Messestand auf der Systems. Dummerweise war es auch der letzte Tag vor der Messe. Der Flug liess sich also nicht vermeiden. Mein erster Flug. 24 Stunden später. Ich bin geflogen. Schon damals musste ich mir meine Schuhe ausziehen. Merkwürdigerweise sagten sie nichts über gefühlte 2 Kilometer Netzwerkkabel in meinem Rucksack. Ich lebte noch. Ich war nach München geflogen, hatte auf dem Rückflug den starken Turbulenzen getrotzt und war in Bremen wieder gelandet. Was der F14 der Flugzeugträger ist, ist den Verkehrsmaschinen Bremen. Die Landbahn ist nicht sehr lang und am Ende ist ein Deich

Die kurze Affaere

Aber ich hatte es überlebt. Es konnte mir nichts mehr passieren, garnichts. Ich war jung, ich war bloed, ich hielt mich für unsterblich. Und wie immer, wenn ich etwas neues interessantes finde, habe ich dann gleich mal uebertrieben: Warum kleckern, wenn man genausogut klotzen kann: Singapur, Minneapolis, Boston, San Francisco waren die Ziele. Es war schön, in San Francisco habe ich mich sogleich in die Stadt verliebt. Diese Liebe sollte im Übrigen auch der Schlüssel werden, wie ich später meine Flugangst wieder loswerden sollte. Ich wechselte dann die Firma und bin auch tatsächlich noch mal geflogen. Ein oder zwei mal noch. Jetzt mag man sich vorstellen, das ich zu diesem Zeitpunkt keine Flugangst hatte. Das stimmt aber nicht. Ich hatte ein so unentspanntes Verhältnis zum Fliegen, das ich offenkundig unlogische Vermutunge an den Tag legte. Zum Beispiel was wohl passieren würde, wenn in Reiseflughöhe überm Teich ein Vogel durchs Triebwerk geht. Das 10km ein wenig über der Dienstgipfelhöhe eines Vogels liegt, ist mir irgendwie erst später in den Sinn gekommen. In der Business Class konnte ich nicht schlafen, was nicht nur an jenem HP Servicetechniker lag, der mir von Frankfurt bis Singapur meinte erklaeren zu muessen, das der Kauf von drei E10000 eine falsche Entscheidung war. Als ich in die schwül-heisse Luft von Singapur entlassen wurde, war ich maximal angenervt: Alle 10 Minuten wurde ich geweckt durch irgendwelche Stoesse der Luftmassen und alle 20 Minuten versuchte mein Sitznachbar mir ein ebenso unerwünschtes wie langweiliges Gespräch aufzudraengen.

Die Trennung

Und dann kam jener kurzer Hopser. Wieder München. Es wurde der schlimmste Flug meines Lebens. Es hat geschuettelt ohne Unterlass. Entweder hat sich der Pilot grosse Mühe gegeben jedes Luftloch zu finden, das sich auf dem Weg bot oder er hat sich bemueht, die wenige tragfähige Luft dazwischen zu erwischen. Ich lernte damals eine wichtige Lektion: Es gibt auch Situationen, in denen Stewardessen aufhoeren zu laecheln, ihre Trolleys wegpacken und sich einfach nur noch auf ihre Sitze zurückziehen. Zwei Wochen spaeter ging es wieder nach München. Ich erinnere mich immer noch lebhaft an die Nacht davor. Ich glaube ich habe bis dahin und seither nie wieder so intensiv mein eigenes Ableben getraeumt. Ich meinen Träumen habe ich wohl versucht herausfinden, ob entweder Herr Rodrigez oder ich die blutigere Phantasie an den Tag legen. Wie es sich wohl anfühlen mag, wenn man mit 800 km/h in den Erdboden gerammt wird. Oder wie sich ein Crossbeam anfühlt, der einem den Kopf wegreisst. Also all jene Dinge, die man sich besser nicht vorstellt. So stand ich dann im Hamburg an jenem Terminal, das damals noch Terminal 4 hiess. Das Terminal, in dem James Bond seinen Leihwagen an einer Stelle abholt, an der heute Syltair ist. Ging durch die Sicherheitskontrolle. Ging zum Gate. Und ging nicht weiter. Ging nicht. Ich hatte weiche Knie und mit jedem Schritt auf das Gate zu wurden sie noch weicher. Ich erreichte zwar das Gate, aber der Schalter schien dutzende Meter entfernt. Ich erinnere mich noch, wie ich auf das Gate zugelaufen bin und vorbeigelaufen bin auf ein anderes Gate, das erst in einer Stunde den Höllenschlund nach Sonstwo darstellen würde. Das Ende der Geschichte: Nach dem mein Name das dritte Mal letztmalig aufgerufen wurde, flog der Flieger ohne mich. Heimlich still und leise mit vielen Anzug- und Kostuemtraegern mich davongeschlichen. Nur das alle anderen um mich herum funktioniert haben. Sie kamen aus Muenchen, Stuttgart, London … ich kam nur von meinem persoenlichen Scheitern im Angesicht des Schalters. Wie ein gepruegelter Hund bin ich dann in die Firma gefahren, meinem Chef beichten, das ich es nicht geschafft habe nach Muenchen zu fliegen. Ich sollte fuer drei Jahre nicht mehr das innere eines Flugzeugs sehen.